Nachdem die verschwörungsideologischen Proteste gegen eine vermeintliche „Corona-Diktatur“ nun seit einigen Wochen laufen, haben wir unseren Flyer „Warnung: Verschwörungsideologien greifen in Regensburg um sich“ grundlegend überarbeitet und aktualisiert.

Seit einigen Wochen finden in Regensburg verschwörungsideologische Kundgebungen gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“ statt.

In der Coronakrise können Menschen verunsichert sein, manche sehen sich in ihren Grundrechten eingeschränkt. Auch wir finden: Es muss weiterhin möglich sein, z. B. Solidarität mit denen, die besonders unter der Krise zu leiden haben, auf die Straße zu tragen. Doch müssen wissenschaftliche Fakten, Abstands- und Hygieneregeln leitend sein, um sich selbst und gesundheitlich Schwächere vor einer Ansteckung mit Covid19 zu schützen.

Man kann kritisch mit den aktuellen Maßnahmen sein, ohne aber Verschwörungs- mythen anzuhangen und Nationalismus zu beschwören. Doch genau das machen die Demonstrant_innen Woche für Woche.

Was sind das für Demonstrationen?

Die Proteste entstanden aus diversen Telegram-Gruppen heraus. Dort agieren Menschen, die den politischen Diskurs bewusst nach rechts verschieben. Es werden allerlei Verschwörungsmythen verbreitet, beispielsweise, dass Bill Gates die Menschheit zwangsimpfen möchte. Immer wieder ist von einer kleinen Elite die Rede, die Politik und Medien lenken wurden und gegen die man sich wehren müsse. Dabei werden vor allem rechte Medien und andere unseriöse Internetseiten als Quellen genutzt. Die Organisator_innen der Demonstrationen in Regensburg wechselten in den vergangenen Wochen mehrmals. Auch die Teilnehmenden stammen aus verschiedenen Milieus. Konstant waren die Proteste auf der Straße aber von sogenannten Impfkritiker_innen, organisierten und nicht organisierten Rechten und Personen, die Verschwörungsmythen anhängen, getragen. Sie spielen die Gefährlichkeit des Coronavirus herunter und verbreiten sogar Thesen über eine bewusste „Manipulation“ oder „Inszenierung“.

Geht es nicht einfach um Grundrechte?

Die meisten Aktivist_innen gehen nicht für Grundrechte wie die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Pressefreiheit oder das Grundrecht auf Asyl auf die Straße. Sie stehen nicht für eine kritische Auseinandersetzung und progressive Forderungen und erst recht nicht für sozial Benachteiligte oder gar Risikogruppen. Statt einzelne Maßnahmen der Regierung kritisch zu hinterfragen, wird der Politik pauschal die Einführung einer „Corona-Diktatur“ vorgeworfen. Zwar wird in Redebeitragen vereinzelt auf Grundrechte Bezug genommen. Großteils sprechen aber Personen, die unverblümt Rassismus, Sozialdarwinismus und Verschwörungstheorien verbreiten. Vordergründinge Abgrenzungen von Rechts sind deshalb nicht nur unglaubwürdig, sondern auch verharmlosend.

Was kritisiert die Initiative gegen Rechts daran?

Relativierung des Nationalsozialismus

Durchgehend wird in der Bewegung der Nationalsozialismus relativiert. Die Einschränkungen wegen des Coronavirus werden als „Diktatur“ bezeichnet. Auf einer Kundgebung wurde sogar ein Ordner mit einem sogenannten „Judenstern“ – im Nationalsozialismus zur Stigmatisierung von Jüdinnen und Juden genutzt – mit der Aufschrift „nicht Corona-geimpft“ eingesetzt. Die Demonstrant_innen setzen sich selbst an die Stelle der entrechteten und schließlich massenvernichteten Jüdinnen und Juden und verharmlosen damit deren unvergleichliche Lage. Damit wollen sie Täter und Opfer vertauschen und eine Auseinandersetzung mit von ihnen selbst verbreiteten diskriminierenden Inhalten abwehren.

Verschwörungstheorien

Einendes Thema der Demonstrationen sind Verschwörungstheorien über das Coronavirus. In diesen Kreisen kursieren etliche haarstraubende Theorien, beispielsweise über durch Impfungen verabreichte Mikrochips oder Krankheiten, die durch den Mobilfunkstandard 5G ausgelöst wurden. Diese Verschwörungstheorien sind meist Teil einer breit angelegten Welterklärung. Sie funktioniert nach dem Schema der seit Jahrhunderten kolportierten „jüdischen Weltverschwörung“: Eine kleine, bösartige Elite, heute häufig mit George Soros oder Bill Gates identifiziert, soll über die Welt herrschen und die Menschheit spalten, unterdrücken und von ihrem Glück abhalten. Der Verschwörungsglaube kann Menschen zu Attentäter_innen machen, die die Befreiung der Menschheit selbst in die Hand nehmen wollen. Verschwörungsideologien waren der Nährboden für die Attentäter in Christchurch, Halle und Hanau. Sie sind nicht harmlos, sondern brandgefährlich und kosten Menschenleben.

Nationalismus

Auf den Demonstrationen werden immer wieder deutlich nationalistische Töne angeschlagen. Das äußert sich in der Beschwörung der deutschen Sprache oder auch in verschwörungsideologischen Andeutungen, der „Zusammenhalt der Deutschen“ werde „schon seit jeher bekämpft“ und die Deutschen mussten wieder „stolz sein“. Eine nationale Perspektive macht weder in Bezug auf eine angebliche Weltverschwörung, noch auf ein global verbreitetes Virus Sinn. Die Demonstrationen dienen rechten und extrem rechten Teilnehmenden nach dem Vorbild von PEGIDA dazu, ihren Nationalismus auszuleben. Komplett ausgeblendet wird dabei beispielsweise die Situation von Corona-Infizierten in Geflüchtetenunterkunften. Ihre Leben scheinen für die nationalistischen Demonstrant_innen keine Rolle zu spielen.

Sozialdarwinismus

Gerade in Bezug auf das Coronavirus bricht sich auf den Demonstrationen blanker Sozialdarwinismus Bahn. Der reicht von Forderungen, das Virus als etwas „normales“ hinzunehmen bis hin zu wirren Gleichsetzungen mit im 14. Jahrhundert nach Amerika eingeschleppten Krankheiten, die schließlich auch nicht behandelt worden seien. Das ist nicht nur faktisch falsch. Hinter solchen Aussagen steht eine sozialdarwinistische Weltsicht, in der nur die vermeintlich Starken es Wert sind, zu überleben. Statt durch gesellschaftlichen Fortschritt ein besseres Leben für alle anzustreben und sich für Schwächere und Benachteiligte einzusetzen, sollen die Menschen einer diffusen „Natur“ ungeschützt ausgeliefert werden. Für den Wert jedes einzelnen Menschen und Solidarität untereinander ist auf diesen Demonstrationen kein Platz.

Als Initiative gegen Rechts erteilen wir Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Sozialdarwinismus eine klare Absage.

Und wir möchten warnen: Fallt nicht auf ihre Strategien herein, mit der gezielt auch nicht-rechte Personen angesprochen werden sollen! Lasst euch nicht tauschen, bleibt kritisch und klärt andere über die problematischen Kundgebungen auf.

Mit oder ohne Corona gilt: Haltet Abstand von rechten Ideologien und Verschwörungsmythen. Wer mit Rechten spaziert, hat nix kapiert!

Initiative gegen Rechts / Juni 2020